VIELLEICHT KANN MAN DIE SPRACHE GESUNDSCHWEIGEN
COULD SILENCE MAKE LANGUAGE HEALTHY

"Die ununterbrochen das Handeln korrigierenden Handlungen,
sind die eigentlich authentische Wertdimension des Menschlichen."
Je intensiver wir mit den Sinnen wahrnehmen, ohne sie ununterbrochen der Kontrolle des Verstandes zu unterwerfen, umso deutlicher verstehen wir die Botschaft hinter der sinnlich fassbaren Welt.
Die Sinnesempfindung partizipiert immer von selbst am geistigen Körper der Welt mit, oder anders gesagt, ist mit wesentlich mehr feinen Fäden zu Dimensionen verbunden und empfängt aus ihnen, wovon das rein intellektuelle Denken gar keinen Zugang hat.

Abt Suger von Saint Denis, der Architekt des ersten Lichtchors von Saint Denis, der die Voraussetzungen für die Kathedrale von Chartres und für die gesamte Nachfolge der Gotik schuf, beschreibt wie er sich in das Licht eines Edelsteins solange versenkt, bis er in eine mystische Verzückung fällt.

Für Abt Suger wie für Marcel Proust der siebenhundert Jahre später lebte, war die sinnliche Wahrnehmung, das intensive Versenken, eine zeremonielle mystische Handlung.
Marcel Prousts Vision gipfelt in jener Erkenntnis, die im letzten Buch seines Werkes "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", "Die wiedergefundene Zeit", klar formuliert wird:
..."Das Wesen, das dann in mir diesen beglückenden Eindruck empfand, empfand ihn darin, was dieser zueinem früheren Zeitpunkt und jetzt an Gemeinsamem hatte, darin, was er an Außerzeitlichem hatte; es warein Wesen, das nur dann in Erscheinung trat, wenn es auf Grund einer solchen Identität zwischen Gegenwart und Vergangenheit in das einzige Lebenselement versetzt wurde, in dem es existieren und die Essenz der Dinge genießen konnte, das heißt außerhalb der Zeit. Dadurch erklärt sich, dass meine Sorgen um meinen Tod in dem Augenblick eine Ende gefunden hatten, in dem ich unbewusst den Geschmack der kleinen Madeleine wiedererkannte; denn in diesem Augenblick war das Wesen, das ich gewesen war, ein außerzeitliches Wesen und stand daher dem Wechselfällen der Zukunft unbesorgt gegenüber."...

Hier wird auf die deutlichste Weise, das Geheimnis von Eros spürbar, das tiefste Mysterium der Mystik.Eros ist die Überwindung der zerbrochenen Einheit der Zeit, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, des männlichen und weiblichen Prinzips, von Geist und Materie.

Eros schafft Einheit und Frieden.
Eros ist die Verheißung des Glückes.
Glück ist das Leuchten des Eros, der Einbruch des Himmlischen und das ist Schönheit.
Dort wo die Einheit zerbrochen wird, kennen sich die Bruchstücke nicht mehr, beginnen sich selbst für das Ganze zu halten und die Folge ist, das sie sich bekriegen.

Krieg ist das Scheitern am Eros.

Das Gebot der Stunde und für die Zukunft notwendige ist, genau zu wissen, was wir nicht mehr mitmachen.Wir können in allen verwirrenden Strömungen und zwischen so vielen Machtblöcken ? Ideologien und Mythen, uns auf Eines verlassen: Jede konsequent gedachte und ausformulierte Vision wirkt im geistigen Geflecht der Welt, ob das jemanden passt oder nicht, ob das jemand wahrnimmt oder nicht.
Die Eigenmächtigkeit die aus der Vision kommt, ist die einzig würdige Form von Macht und Autorität, sie löst jede Gewaltmacht auf, weil sie sich nicht gebrauchen und vereinnahmen lässt.

Es gibt kein Ende, weder eines Gegenstandes noch eines Gedankens, noch irgendeiner anderen Form. Es gehtimmer weiter, immer mehr Türen tun sich auf, als wir mit verfolgen, mitfühlen, mitdenken können. Wir sind in unserer Zeitgebundenheit zu unserer nächsten Handlung gezwungen. Oft handeln wir in einen Bereich hinein, den wir nicht mehr ganz im Griff haben, dem wir nicht gerecht werden. Daher ist in jeder Handlung Verletzung inbegriffen, so dass uns langsam die Sehnsucht überfällt, überhaupt nicht mehr direkt zu handeln.
Der Prozess des Malens, ist eine Möglichkeit der Überhöhung von Schwächen, eines indirekten gereinigtenHandelns an der Welt. Die Vision muss so stark sein, dass sie der alleinige Entscheidungsträger ist; also muss der Prozess der Arbeit, ein Prozess der Läuterung sein, dass er wirksam wird. Jedes bedeutende Werk ist eine Neubestimmung von Welt und gebiert Zukünftiges.

Wenn unser Tun visionär bedingt ist, beseelt uns eine rätselhafte Beglückung. Wir versuchen dem nachzugehen und einem unausweichlichem Antrieb folgend, es immer besser zu machen.
Dies ist der Urgrund jeder echten Kultur, des Wertes an sich und der Kunst. Hier berührt sich das höchsteGesetz der Vision mit Ethik. Zu diesem hat jeder Mensch grundsätzlich Zugang.
Luxus den ich meine ist also nichts Unsoziales, weil er einer unabwendbaren Notwendigkeit entspringt, die jede Generation aufs Neue ausloten und neu definieren muss, wieweit Intensität, Verfeinerung und Dichte möglich ist.Grundsätzlich ist es belanglos, ob es sich um einen Wein, ein gutes Gericht, einen Stoff oder ein Kunstwerk handelt.Der scheinbare Zwiespalt, dass dies nur wenigen vorbehalten ist, beruht auf einem grundsätzlichen Missverständnis: wahre Form wirkt über das Geistige auf die ganze Welt und ist nicht beschränkt auf den Menschen, der das ?Werk? besitzt. Die Strahlkraft wird nicht nur von den Dingen getragen, sondern wesentlich auch von den Menschen, die diese mit Überzeugung schaffen, weil sie eine Atmosphäre von Wahrheit, Wirklichkeit und Freude in die Welt bringen und das ist das wesentliche Kriterium der Sinnstiftung.

©Rudolf Leitner-Gründberg
Juli 2010
 
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